An einem zentralen Punkt, dem Nabel der Welt, an dem der Mond und die Sonne nie untergehen, an dem immer Sommer ist und der Kuckuck ständig ruft, findet sich der Helle Jüngling. Er findet sich, das heißt: er erwacht zu Bewusstsein.
Hier gibt es einen Baum, dessen Harz durchsichtig ist und süß duftet; seine Borke vertrocknet nie und hat keine Risse, die Blätter sterben nie ab, sanftes Licht dringt durch das Blattwerk. Die Zweige dieses Baumes durchstoßen das Himmelsgewölbe. Seine Spitze ist das Zentrum des höchsten Gottes. Seine Wurzeln reichen bis in die Unterwelt und werden dort zu Stützpfeilern, auf denen mythische Wesen ruhen. Mit dem Rauschen seiner Blätter unterhält sich der Baum mit den Geistern der Himmelswelt.
Der Stamm des Baumes öffnet sich und heraus tritt die Weiße Göttin. Der Helle Jüngling redet sie an und beklagt sich, dass er allein ist. Er will seine Stärke mit anderen messen. Er bittet um einen Gefährten oder eine Gefährtin.
Von der Baumgöttin erfährt er, dass sie die Mutter aller Dinge und der Himmelsgott sein Vater ist. Daraufhin schöpft sie zwischen den Wurzeln des Baumes Wasser und übergibt es dem Jüngling in einer Blase. Sie fordert ihn auf, das Wasser unter seinem rechten Arm zu verwahren. Es wird ihn erretten, wenn er in Not kommt.
Schließlich segnet ihn die Göttin und säugt ihn an ihren üppigen Brüsten. Der Jüngling spürt, wie sich seine Kraft verneunfacht.
In der Nachbarschaft des Baumes entdeckt er einen Milchsee mit Sümpfen aus geronnener Milch an den Ufern. Es ist die Milch der höchsten Gottheit selbst, die den See speist: die für die Erhaltung des Lebens wesentliche Flüssigkeit! Sie ist das Himmelselixier, das den Göttern zur Unsterblichkeit verhilft. Und es ist jene flüssige Grundsubstanz, aus der sich Wasser, Blut, Samen, Milch und die Säfte der Pflanzen aufbauen – der Stoff, der die Regeneration des Lebens im Kosmos sicherstellt.
– Frederik Hetmann